Wir wollten auf die Northern Ranger Fähre. Der Norden Labrador ruft uns: Wie leben die Inuits? Gibt es dort auch so viele Fliegen? Polarbären?
Es heißt die Fähre ist ausgebucht. Wir werden es nie erfahren … Warum wir? Neiiin. Die Fähre fährt nur montags. Eine ganze Woche warten. Nun ist meine Natur dafür bekannt hartnäckig zu sein.

1 Woche vor Abreise versuchten wir über das online System zwei Plätze zu reservieren. Die Reservierung ging leider nicht durch.
Wir rufen bei der Ticketzentrale an um uns zu vergewissern. Leider ausgebucht lauten die Worte die uns entgegen schallen. OK, wir reisten weiter, Richtung Fähre und hoffen das sich doch noch etwas ergibt.

2 Tage vor Abreise erfahren beim Ticket Schalter, das es am Tag der Abfahrt noch möglich ist sich auf eine Warteliste eintragen zu lassen.

Am Morgen um 08:00 Uhr sind wir die dritten in der Warteschlange. Die Dame vor uns will sechs Tickets. Wir bangen. Als wir drankommen um unsere Namen auf die Liste zu setzen sieht es schlecht aus. Man würde uns anrufen sofern es Platz gibt.

11:30 Uhr
Der Anruf bleibt aus.
Martin beschließt zum Schalter zu fahren um nachzufragen.

12:00 Uhr
Wir schmeißen unser Zeug in die Rucksäcke. Damit haben wir nicht mehr gerechnet. Hektik. 🙂

12:30
Wir erwerben die Tickets. Nicht günstig die Überfahrt.

13: Uhr
Unser Boot legt ab, mit uns.
Auf dem Boot erfahren wir das die Online-Reservierung, die wir vor einer Woche tätigten, durchgegangen ist – toll. Laut meiner Visakarten-Abrechnung, sogar 2-mal.
Nächster Halt: Nunatsiavut „unser schönes Land“.

 

Deutsche Missionare haben ihren Fingerabdruck in der Region hinterlassen. Mitte des 18. Jahrhunderts reisten die Moravians hierher um die Menschen zu missionieren. Durch ihre Arbeit mit den Inuit in Grönland sprach man Inuktitut. So konnte die Lehre verbreitet, Inuits missioniert und Kirchen erbaut werden.

Rigolet
ist der erste Halt nach 5 Stunden Fahrt, erbaut in einer Bucht, am Beginn des Sees Melville, ist es die südlichste Inuit Gemeinde. 45 Minuten Aufenthalt bis zur Weiterfahrt. Es ist Abend geworden. Ein dichter Nebel liegt über der Stadt. Wir laufen zum Boardwalk für einen kurzen Spaziergang. Es ist der zweitlängste der Welt. Wir sehen einen kleinen Teil davon. Auf der Rückfahrt (die Fähre hält nochmal in allen Gemeinden), schaffen wir es mehr vom Boardwalk zu sehen. Das Wetter ist besser und nach 5 Tagen auf dem Schiff brauchen wir Bewegung. Während Martin in einer 45 Minuten Laufeinheit gut 4 Kilometer des ca. 40 km Boardwalks sieht, erhasche ich in meiner Laufeinheit sicherlich die Hälfte dieser Strecke. Es ist ein schöner Boardwalk direkt an der Küste.

 

Makkovik
Das Dörfchen wurde 1752 von Moravians besiedelt. Inuit waren einst Nomaden ohne permanente Siedlungen. Die Liebe zur Religion machte sie zu Siedlern.
In Makkovik gibt es einen biblischen Poesie-Pfad, der hinter der Kirche beginnt. Er mündet in einem gut ausgebauten Pfadsystem mit hoch gewachsenen Tannen.
Das Handarbeitsgeschäft, das zu den üblichen Artikeln wie Wolle und Reißverschlüsse auch Seehund-, Karibou-, Polarbär-Felle verkauft, ist sehenswert. Es gibt einige handgefertigt Artikel im Verkauf: Fell-Scharber, Ohrringe, Seehundfell-Handschuhe mit an den Innenflächen gefärbtem Wildleder, Seehundfell-Haarreifen und anderes. An Einfallsreichtum mangelt es hier nicht.

 

Hopedale
Nach 6 weiteren Stunden Fahrt bekommen wir am Hafen einen unerwarteten Abholservice. Zwei Einwohner der Stadt organisieren hier kleine Touren zu den Sehenswürdigkeiten. Es geht zum ältesten Haus Nordamerikas, erbaut von den Moravians. Daneben ist die Kirche und ein Museum mit einer Sammlung von Artefakten, Fotografien, biblischen Büchern, Texttafeln, … Dort erfahren wir, dass Moravians Protestanten sind, die sich gründeten als sie der römisch-katholischen Kirche absagten. Sie stammen aus Moravian, eine Region im heutigen Tschechien. Als wir eins der Fotos näher betrachten sehen wir Inuits in frommer Bekleidung, mit weißen Puritanerkäppchen und Schürzen. Sie halten große und kleine Kerzen, die in Äpfeln stecken. Alle stehen nebeneinander aufgereiht vor den weißen Sitzreihen. Ein Tannenbaum ist zu sehen. Es ist Weihnachten. Also wird in der Kirche zelebriert – verrät uns einer der Anwohner. Diese Tradition wird Jahr um Jahr fortgelebt.
Nächster Halt ist die Versammlungshalle: Wir treten durch die Eingangskuppel, die an ein Iglu erinnert. Im Eingangsbereich ist der Boden aus Labrodorit gefertigt – ein Marmor ähnlicher Stein aus Labrador. Wir folgen der Einladung in den Regierungssaal. Im Zentrum ruht ein 5 m langes Polarbär-Fell auf dem Labradorit Boden. Umgeben von einer ovalen Tafel an der sich die Repräsentanten treffen, um Platz zu nehmen auf Seehundfell-Stühlen um zu debattieren über die Zukunft „Nunatsiavuts“. Ein feierlicher Saal.

 

Zurück auf der Fähre

 

Die Fahrt mit der zwischen den Orten ist lang. Etwa 5–6 Stunden sind wir jedes Mal auf See. Pro Ort gibt es 1.5 Stunden Aufenthalt um sich etwas die Beine zu vertreten und das Schiff zu Be- und Entladen.
Das Wetter zieht leider weiter zu. Nachdem wir noch die ersten 4 Stunden der Überfahrt uns an Deck sonnen konnten, ziehen Regenwolken und Nebelfronten auf …

 

Immerhin konnten wir etwas Sonne tanken. Für den Rest der 5-tätigen Reise sollen wir nämlich keine mehr abbekommen … Nebel und Regen begrüßen uns in jedem Dorf.

Auf hoher See werden die Wellen immer größer. 3-8 Meter sagt man uns. Da wir keine Kabine gebucht haben (hätte uns nochmal eine Stange mehr gekostet), verbringen wir den ganzen Tag im Aufenthaltsraum oder wandern im Schiff umher. Es gibt 2 Fernseher und eine Menge Kinder die schreiend durch die Gegend laufen – spielen. In der Nacht machen wir uns „richtig bequem“. Tatjana schläft auf den Stühlen, während ich mit der Isomatte auf dem Boden liege. Die Nächte auf dem Boden im Aufenthaltsraum der Fähre sind bei den Wellen gewöhnungsbedürftig. Zudem laufen die Kinder auf Drogen umher: Zucker und Koffein! Alle zwei Minuten macht es: Zssscht … mal wieder wurde eine Cola geöffnet.

Viel zu tun gibt es auf der Fähre nicht. Wir schreiben ein paar Blogartikel ins Handy. Lesen das was wir auf dem Schiff finden und unterhalten uns mit den Leuten. Spannend sind die Gespräche mit den Innu-Jugendlichen/-Kindern, die uns anquatschen. Sie erzählen uns offen über die Probleme ihrer Gemeinde – die Drogen/Alkoholprobleme, verwahrloste Kinder und resultierende Selbstmord. Die wenigen mit denen wir sprechen sind aus dem Trott herausgekommen und spielen in einer Band oder Hockey.

Wir lernen ebenso den jungen Koch an Board (Joe) kennen. Er ist ein leidenschaftlicher Reisender und hat uns als ebenso Reisende direkt erkannt. Abends lädt er uns für einen Umtrunk in seine Kajüte ein – Martin folgt prompt dieser Einladung. Leicht angeheitert kommt er spät am Abend zurück – es gab 7Up mit günstigem Whisky :)

Natushish
Das ist die einzige Innu-Gemeinschaft an dieser Küste. Seit 2002 sind die Innus wohnhaft in diesem Teil. Seit der Gründung Kanadas wurden die Innus dazu gedrängt sesshaft zu werden. Sie verloren ihren Indianerstatus, der ihnen von England aus Schutz bot. Sie wurden Kanadier und somit schulpflichtig. Die erste Siedlung, die die Regierung einrichtete, befand sich im Torngate Gebirge. Dies ist der äußerste Nordzipfel Kanadas. Viele erkrankten hier an Tuberkulose und starben. Die Innus ließen ihre Siedlung verkommen. Die Häuserfronten wurden aus Protest als Feuerholz genutzt. Die Regierung beschloss die „Wilden“ auf eine Insel auszusiedeln. So wurde Davis Island zur neuen Heimat. Das Volk erleidet einen vollkommenen Kulturverlust: Internet, Fernsehen, Zucker, Alkohol, Drogen ersetzten jagen, fischen und wandern. Die Selbstmordrate stiegt. Aus Wut und Verzweiflung wird eine weitere Stadt auseinander genommen. Die Bilder von Häuserverbrennungen machen sich in den Medien breit. Es folgten Debatten zu Steuergeldverschwendungen: Der Durchschnittskanadier ist entsetzt, dass die Regierungen finanzielle Mittel stellt für die angezündeten Unterbringungen. 10 % der Innus arbeiten. Der Rest lebt vom Staat. Es sterben/begehen Selbstmord weitere Innus.
Vorwürfe werden laut: Genozid unterstellt man der Regierung. Ein drittes Mal werden die Innus umgesiedelt. Diesmal jedoch darf der Innu-Stamm selbst wählen wohin es geht: Natushish scheint die Lösung. Seit der Ankunft vor 13 Jahren gäbe es jede Menge Lösungsansätze zur Heilung der entstandenen Wunden. Es herrscht ein absolutes Alkoholverbot in der Gemeinde.
Eine schwierige Situation. Erstens sehen viele Kanadier ihre Steuergelder veruntreut. Zweitens betrachten sie die finanzielle Unterstützung als keine zukunftsorientierte Lösung. Diese Gelddebatte, die in den Medien präsent ist, führt zu fragen, die die Regierung unangenehm berührt beantworten sollte. Es werden Stimmen laut, dass die finanzielle Unterstützung die Innus ruhig halten soll. Die Landmasse lässt sich ohne Widersprüche zweckorientierter verwalten. So können Insektizide versprüht, Minen zum Abbau von Erz errichtet werden, Wasserfälle zur Gewinnung von Energie umgeleitet, Militärstützpunkte für deutsche und amerikanische Übungsflüge mit Bombenabwurf gebaut werden, ja und andere Sachen von denen ich noch nichts weiß.

Nain
Nach zweieinhalb Tagen kommen wir an der nördlichst gelegenen Siedlung an, die man mit der öffentlichen Fähre erreichen kann. Von hier nordwärts gibt es nur noch Wildnis und den Torrongates Nationalpark, den man nur per Flugzeug erreichen kann. Eine Woche Aufenthalt kostet ab 5000$ aufwärts – abhängig der Unterkunft die man wählt. Um hier die Fjorde, Steilklippen, Berge und die Wildnis zu erleben, muss man ein Komplettpaket buchen. Dazu gehört der Transport, Aufenthalt in einem Biwak-Zelt, Luxus-Zelt oder Hütte sowie ein Führer der mit einem Gewehr bewaffnet ist und die Parkbesucher vor Polarbären schützen soll. Sicherlich mal eine Reise wert, wenn man mal das nötige Kleingeld übrig hat.

In Nain geht es für uns direkt auf Erkundungstour und eine kleine Bergwanderung. Wir haben ausnahmsweise 3 Stunden Zeit!
Nain ist einer der größeren Gemeinden dieser Region. Hier leben die meisten Ureinwohner. Das Leben an sich ist ähnlich zum Rest Labradors. Die Häuser sehen genauso aus, wie wir sie auf unserer bisherigen Reise gesehen haben – einfache Pappmasche Häuser. Die Leute fahren Pickup-Trucks – es gibt im Ort einige Straßen.
Von hier geht’s zurück – die gleiche Strecke, zweieinhalb Tage mit der Fähre nach Goose Bay.

 

Postville
Joe – der Koch an Board, Chad – aus Postville und Martin trafen sich die letzten Abende für einen Umtrunk – Chad hat in Nain 3 Paletten Bier besorgt, eine davon wird an einem der Abende aufgebraucht. Alkohol ist hier in der Region nur schwer zu bekommen und teuer! Damit soll der Alkoholkonsum eingeschränkt werden. In Natushish ist sogar Alkohol verbot! Hier kontrolliert die Polizei regelmäßig die ankommenden Reisenden. Dafür ist extra eine Polizeistation errichtet worden.

In Postville bekommen wir von Chad eine Stadtführung! Es beginnt mit einem Bretterweg entlang des Ozeans zu Sandy Point. Anschließend gibt es eine kurze Rundfahrt durchs Dorf bei der wir die Schule, Feuerwehr und Chads Haus, das Haus seines Vaters und des Bruders sehen. Viel gibt es hier nicht – 150 Einwohner, fast jeder hat ein Auto und 2 Schneemobile. Zum Abschied packt Chad uns einen geräucherten und einen getrockneten Char ein, sowie gefrorene Traut und Seelachs ein.

 

Am ersten Tag haben wir uns in der Kantine Pommes gekauft, danach nur noch kostenloses heißes Wasser für unser Müsli, Tee oder Suppen abgeholt. Zweimal haben wir auch auf dem Festland mit dem Campingkocher gekocht, da gab es mitgebrachtes Gemüse mit Nudeln. An Board gab es jeden Tag Poutine (Pommes mit Bratensoße und Käse) und Kartoffelbrei mit Fleisch – Kantinenessen! Auf der Rückfahrt werden wir von den Küchenangestellten zum gratis Essen in der Schiffskantine eingeladen. Wahrscheinlich hatten die Angestellten Angst, dass wir verhungern.

Ein tolles Abenteuer. In Goose Bay angekommen freuen wir uns wieder auf eine gemütliche Schaummatratze, Ruhe, Sonne, selbstgekochtes Essen und LAND!

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